Eine geringe Muskelmasse von zudem schlechter Qualität kann bei adipösen Frauen mit metastasiertem Brustkrebs zu einem erhöhten Sterberisiko beitragen. Gilt das auch für Patientinnen, deren Krebs nicht metastasiert ist? Immerhin wurde in einer US-Studie bei 34% in dieser Patientengruppe eine Sarkopenie festgestellt.
US-amerikanische Ernährungsepidemiologen hatten für die Untersuchung medizinische Befunde von über 8.000 Frauen mit invasivem Mammakarzinom (Stadium II: n = 6.724 und Stadium III: n = 1.762) ausgewertet. Zum Zeitpunkt der Diagnose war bei 29 % der Frauen im Stadium II und bei 72 % der Frauen im Stadium III auch eine Computertomografie (CT) des Abdomens oder des Beckens durchgeführt worden, anhand der die Körperzusammensetzung ermittelt werden konnte. Insgesamt wurden letztlich Befunde von 3.241 Patientinnen in der Studie analysiert. Die Forscher beurteilten die Parameter geringe Muskelmasse (anhand des skelettaten Muskelindexes (SMI), basierend auf dem Muskelquerschnitt im CT in Höhe L3), schlechte Muskelqualität (anhand der radiologischen Dichte der Skelettmuskeln [SMID]) und den Grad der Adipositas (anhand des Body-Mass-Index [BMI]) zum Diagnosezeitpunkt, innerhalb von 6 Monaten danach und noch vor der Chemotherapie oder Bestrahlung. Die Studienteilnehmerinnen waren median 54 Jahre alt, die jüngste 18 und die älteste 80. Das mediane Follow-up lag bei 6 Jahren in dieser Zeit starben 619 der 3.241 Patientinnen. Zum Zeitpunkt der Diagnose hatten 34 % Patientinnen eine Sarkopenie.
Bei 37 % war die Muskelqualität beeinträchtigt. Frauen mit Sarkopenie und geringer Muskelqualität waren älter und erhielten häufiger keine Chemotherapie. Zudem war eine Sarkopenie häufiger mit einem etwas niedrigeren BMI (27,7 vs. 30,0 kg/m2) assoziiert. Eine geringere Muskelqualität stand dagegen im Vergleich zu einer normalen radiologischen Muskeldichte eher mit einem höheren BMI (31,1 vs. 26,6 kg/m2) in Zusammenhang. Aus der multivariablen Cox-Regressionsanalyse ging hervor, dass im Studienzeitraum Frauen mit Sarkopenie ein um 41 % höheres Sterberisiko hatten als Patientinnen ohne Sarkopenie (Hazard Ratio [HR]: 1,41; 95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 1,18-1,69). Herausgerechnet wurden dabei unter anderem das Alter zum Zeitpunkt der Diagnose, Tu-morstadium, Rauchen, Operation sowie HER2-Status. Schon geringgradig bessere Ergebnisse im Hinblick auf Muskelqualität und Muskelmasse hatten positiven Einfluss auf das Mortalitätsrisiko. Betrachtete man als weiteren Parameter die „Gesamtadipositas" (Summe aus Viszeral-, Subkutan- und Muskelfett) ergab sich darüber hinaus für Frauen im höchsten BMI-Terzil verglichen mit jenen im untersten ein signifikant höheres Sterberisiko (HR 1,35; 95 %-KI 1,08-1,69).
Verallgemeinern ließen sich diese Ergebnisse nicht, erklärte das Team um Bette J. Caan. Eine reverse Kausalität – also Sarkopenie als Folge der Krankheitsprogression – schließt es aber weitgehend aus. Die Forscher halten es für sinnvoll, übergewichtigen Brustkrebspatientinnen mit Sarkopenie etwa ein Muskelaufbautraining oder auch eine Proteinzufuhr zu empfehlen.
Fazit: Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs, die zum Zeitpunkt der Diägnose eine Sarkopenie aufwiesen, hatten ein höheres Sterberisiko als Frauen ohne Abbau der Skelettmuskulatur. Eine Gewichtsreduktion sollte mit einem Aufbau und der Stärkung der Skelettmuskeln, etwa mithilfe des Widerstandstrainings, einhergehen. Peter Leiner
Caan BJ et al. Association of Muscle and Adipos-ity Measured by Computed Tomography With Survival in Patients With Nonmetastatic Breast Cancer. JAMA Onco1. 2018;4(6):798-804
Kommentar:
Diese Studie richtet das Augenmerk der Onkologen und aller an der Betreuung von Krebspatienten Beteiligten auf einen wichtigen Aspekt des Gesundheitszustandes bei Tumorerkrankungen. Zwar sind wir es gewohnt, den Aktivitätszustand über den Karnofsky-Index und den ECOG-Performancestatus zu beschreiben. Und wir haben gelernt, den Ernährungszustand unserer Patienten zu berücksichtigen, begnügen uns hier aber meistens noch mit der Angabe des Body-Mass-Index (BMI). Sehr selten wird eine Body-Impedanz-Analyse (BIA) eingesetzt, mit der man immerhin in der Lage wäre, das Verhältnis von Fett- zu Muskelmasse unter Berücksichtigung des Wasser- und Knochenanteils im Körper zu bestimmen.
Wir wissen, dass das Tumorstadium, der Lymphknotenbefall, die Metastasierung, aber auch der Hormonrezeptor(HR)-Status und die HER2-Amplifikation die Prognose der Brustkrebspatientinnen bestimmen.
Caan und Mitarbeiter zeigen mit dieser Arbeit, dass auch der Status der Skelettmuskulatur eine prognostische Bedeutung zu haben scheint. Sicher sind die Ergebnisse der Studie vorsichtig zu werten: Sind doch nur die Patientinnen einbezogen worden, bei denen ein CT des Beckens/des Abdomens erstellt wurde. Besteht hier eine erste (negative?) Selektion? Auch handelt es sich um eine retrospektive Studie nur zweier – wenn auch ausgewiesener – Zentren (Kaiser Permanente of Northern California, Oakland, CA/USA, und das Dana Farber Cancer Institute, Boston, MA/USA).
Dennoch zeigt diese Untersuchung, dass wir dem Zustand der Skelettmuskulatur mehr Aufmerksamkeit schenken sollten. Zu klären ist, ob der Zustand der Skelettmuskulatur auch Einfluss auf die Prognose anderer Tumorentitäten hat. Und, ob sich durch eine Verbesserung der Muskulatur auch prospektiv die Prognose verbessern lässt. Sollten diese Fragen in Studien mit ja beantwortet werden, müssen Therapiestrategien zum Muskelaufbau entwickelt werden.
Zum einen durch ein angepasstes Trainingsprogramm. Hier müssen wir umdenken: Immer noch besteht weitläufig die Meinung, dass Tumorpatienten mit aktiver Erkrankung gerade während der Primärtherapien körperlich geschont werden sollten. Erste Untersuchungen, auch bei Brustkrebspatientinnen, zeigen, dass dies nicht stimmt, dass eine moderate körperliche Belastung im Sinne eines leichten Ausdauertrainings und auch Krafttrainings (zum Beispiel Hantelübungen) den Muskelaufbau fördern und die Lebensqualität erhöhen.
Zum anderen muss mehr als bisher auch der Ernährung der Patientinnen Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die Forscher empfehlen eine eiweißreiche Kost. Hier zeigen sich die Schwächen unserer bisherigen Bewertungs-kriterien des Ernährungszustandes. Weder der BMI noch die BIA sind in der Lage, den Zustand der Skelettmuskulatur adäquat wiederzugeben. Da aber ein großer Teil unserer Patientinnen mit Brustkrebs übergewichtig bis adipös ist (allein in dieser Studie 2 von 3 Patientinnen), wird selten eine darauf ausgerichtete Ernährungsberatung durchgeführt, geschweige denn eine proteinreiche Zusatzkost verordnet. Ursächlich hierfür ist aber auch die nach wie vor schwache Datenbasis.
Fazit:
Bei übergewichtigen Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs sollte der SMI (im CT gemessenes Muskelareal in Höhe L3 in cm/Körpergröße') bestimmt werden. Bei Bedarf kann dann ein angepasstes Trainingsprogramm erfolgen und eiweißreiche Kost angeboten werden.
Bild:
„Wir sollten dem Zustand der Skelettmuskulatur bei unseren Patientinnen mehr Aufmerksamkeit schenken!”
Dipl.-Med. Gerhard Faber kommentiert für Sie: Caan BJ et al. JAMA Oncol. 2018;4(6):798-804